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Warum Jäger und Sammler keine Arginin-Kapsel schlucken

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Salz in der Paleoernährung

Beeindruckend viele Informationen finden sich zu Salz. Diesem kristallinen Stoff, den wir alle so lieben.

Die Frage ist: Warum lieben wir ihn so?

Ist Salz, in heutigen Mengen, ein Gift?

Mittlerweile sehe ich das so wie, na ja, wie ich das Zucker-Thema sehe. Zucker, also Saccharose. Schmeckt uns sehr, aber schadet uns - mittlerweile nachweislich - auch.

"Salz" besteht aus den beiden Komponenten Natrium (Na(+)) und Chlorid (Cl(-)). Man muss ein bisschen aufpassen, dass man "Salz" nicht verwechselt mit "Natrium" - denn: Natrium macht ca. 40 % der Salzmasse aus. Wenn wir also von 10 g "Salz" sprechen, meinen wir gleichzeitig auch 4 g Natrium (40 %).

Ähnliche (Denk-)Fehler gibt es auch bei "Zucker". "Blutzucker" ist nicht das Gleiche wie "Haushaltszucker" - der Blutzucker ist "Glukose" (Treibstoff unserer Zellen) und das, woraus dein Kuchen besteht, ist Saccharose, bestehend aus Fruktose und Glukose, was natürlich mitnichten das Gleiche ist.

Heute dürfen wir - so scheint es - alle wieder ohne Nachdenken Salz über unser Essen streuen. Seit es - industriell verarbeitet - lieferbar ist, finden wir es überall - einmal abgesehen von der Rolle als Konservierungsmittel, wissen wir, dass Salz einfach gut schmeckt, besser gesagt: Essen mit Salz schmeckt gut. Essen ohne Salz eher nicht so.

Dass Salz somit natürlich auch in Verbindung mit unserer Fresssucht gebracht wird, sollte alleine deshalb klar sein.

Die Evolution könnte meinen: Ja!

Klar dürfte bei kurzer Betrachtung der Thematik auch sein, dass wir Menschen, auch schon als Primat, kaum Zugang zu diesem Stoff hatten. Zumindest nicht zu solchen Mengen. Tatsächlich essen Äffchen sehr wenig Salz und die Natrium:Kalium-Ratio ist extrem niedrig. Im Gegensatz zu uns. Bei uns ist sie extrem hoch.

Salz hatte eine Zeit lang einen schlechten Ruf, weil es viele Arbeiten gibt, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Bluthochdruck darlegen. Ich habe keine Lust auf dieses Thema einzugehen, weil dies nur zur Streitereien führt. Auch, wenn das Thema sicher viel spannender ist, als viele (mittlerweile) glauben. Ob hier - neben der Zucker-Mafia - auch eine Salz-Mafia am Werk ist? Mein unternehmerischer Sachverstand hat hier eine Vermutung.

Was sagt die "Paläo-Diät"?

Wie angedeutet, befassen wir uns, wenn wir uns mit der "Paläo-Ernährung" auseinandersetzen, häufig nur mit Protein, Kohlenhydraten, Fetten ... vielleicht auch mal mit dem Gemüse oder Ballaststoffen. Andere Aspekte ignorieren wir häufig. Hier noch einmal das, was postuliert wurde[note]Konner, M.Eaton, S. B. (2010): „Paleolithic Nutrition: Twenty-Five Years Later“. In:Nutrition in Clinical Practice. 25 (6), S. 594-602, DOI: 10.1177/0884533610385702.[/note]:

Was wurde in der Paleo-Ernährung wirklich gegessen

Cordain und seine Freunde (Konner, Eaton et al.), aber auch eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler, beschäftigten sich ausgiebig und eine ganze Weile hinweg mit der Frage nach der Bluthochdruck-Entwicklung in diversen Jäger-und-Sammler-Kulturen. Dort nämlich fand man nahezu immer sehr niedrige Blutdruckwerte (100-120) - nicht wie bei uns, bis zum 25. Lebensjahr, sondern über eine ganze Lebensspanne hinweg. Zeitgleich analysierten diese Forscher auch die Salz-Zufuhr. Egal ob Kitava, Buschmänner, Aborigines, Kenianer oder andere Stämme: Diese Menschen nahmen tagtäglich extrem wenig Salz zu sich.

Natürlich legten diverse Arbeiten nahe, dass Homo sapiens, als Art, über Jahrmillionen hinweg in ebendieser "Wenig-Salz-Umwelt" lebte. Außerdem, so scheint es, verfügen wir über hervorragende Mechanismen, Salz zu sparen (es aber nicht ohne Probleme loszuwerden), während wir kaum gute Mechanismen haben, Kalium zu sparen (gleichzeitig werden wir es gut los).

Aber wie gesagt: Auf die Bluthochdruck-Thematik möchte ich gar nicht so sehr eingehen.

Die Hypothese, dass Homo sapiens an eine salzarme Umgebung angepasst ist, finde ich dennoch spannend.

Salz-adäquate Ernährung heilt die Arterien

Kleine Erinnerung: Die innere Gefäßschicht unserer Arterien besteht aus Endothelzellen. Diese Zellen sind dafür verantwortlich, unsere Gefäße gesund zu halten. Das heißt: Optimal weit und - hoffentlich - ohne Fett-Calcium-Gemisch (Arteriosklerose). Endothelzellen sind sozusagen das Teflon unserer Gefäße. Die Endothelzellen produzieren ein Gas namens Stickstoffmonoxid (kurz: Stickoxid, NO) - dieses NO macht die Gefäße weit und schützt unsere Arterien über viele Mechanismen. Ein Abfall dieses Gases geht nicht nur einher mit metabolischer Entgleisung (siehe dazu NO-Guide), sondern auch mit endothelialer Dysfunktion, was einfach nur meint, dass die Arterien nicht mehr richtig funktionieren.

Die grundsätzliche Reaktionsgleichung sieht wie folgt aus: Arginin (+ Co-Faktoren) reagiert via eNOS (Enzym) zu NO (+ Citrullin).

Der Knackpunkt ist häufig nicht das Substrat (Arginin), sondern die Enzym-Funktion, die sich u. a. durch Sport, pflanzliche Stoffe (Resveratrol etc.), Gewichtsabnahme etc. positiv modulieren lässt. Umgekehrt führt eine Verschlechterung der eNOS-Funktion zu einer niedrigeren NO-Bioverfügbarkeit.

(Weiterführende Literatur: NO-Guide)

Die Artikel-Überschrift habe ich gewählt, weil es eine Studie[note]Jablonski, Kristen L.; Racine, Matthew L.; Geolfos, Candace J. u. a. (2013): „Dietary Sodium Restriction Reverses Vascular Endothelial Dysfunction in Middle-Aged/Older Adults With Moderately Elevated Systolic Blood Pressure“. In: Journal of the American College of Cardiology. 61 (3), S. 335-343, DOI: 10.1016/j.jacc.2012.09.010.[/note] gibt, die zeigt:

Streicht man älteren Menschen das (zusätzliche) Salz vom Speiseplan, verbessert sich der Blutfluss ganz dramatisch. In einfachen Worten: Die Arterien werden wieder weit. Das ging einher mit einer Steigerung der NO- und BH4-Werte.

Jeder, der den NO-Guide gelesen hat, weiß, dass BH4 unser eNOS-Enzym "beschützt", so, dass es das von uns gewünschte NO baut.

Die Autoren meinen: Diese Art der Ernährung kehrt - zumindest weitestgehend - vaskuläre Dysfunktionen um.

Was bedeutet, dass Arterien wieder funktionieren, wie sie sollen. Dies wiederum heißt, dass sie uns vor Herzinfarkt, Schlaganfall und Bluthochdruck beschützen. Die "Natrium-Dosis" betrug hier ca. 1-1,5 g, was 2-3 g Salz (NaCl) entspricht.

In einer anderen Arbeit[note]Li, J.; White, J.; Guo, L. u. a. (2009): „Salt Inactivates Endothelial Nitric Oxide Synthase in Endothelial Cells“. In: Journal of Nutrition. 139 (3), S. 447-451, DOI: 10.3945/jn.108.097451.[/note] finden wir Hinweise darauf, warum das so ist.

Dort konnte gezeigt werden, dass Salz unser eNOS-Enzym ausschaltet. Sogar in Konzentrationen, die wir durch unseren Salz-Konsum erreichen.

NaCl und eNOS

(Das bedeutet: Es bringt nichts, 10 g Arginin zu schlucken, wenn man das Ganze mit einer Salzlösung runterspült.)

Übrigens: Dieselben Wissenschaftler haben in dieser Arbeit nachgewiesen, dass eine Salz-Infusion den Blutdruck ansteigen lässt, direkt abhängig von der zugeführten Salzkonzentration. Es liegt natürlich nahe, dass dies durch die eNOS-Inaktivierung verursacht wird.

"Arginin-Effekte" ohne Arginin

Forscher wie Lindeberg wunderten sich immer, warum Menschen wie die Kitava-Bewohner so selten Zivilisationskrankheiten aufwiesen. Ihnen standen einige entscheidende Daten - anscheinend - noch nicht zur Verfügung. Okay, das stimmt wohl nicht ganz. Wir erinnern uns an den deutschen Amerikaner, Dr. Kempner[note]http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Kempner%20W%5Bauth%5D[/note], der "Schwerstkranke" (Arteriosklerose, Angina pectoris, Fettleibigkeit, Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Nierenschäden etc.) mit einer salzarmen "Reis-Diät" nahezu komplett heilte - bereits in der Nachkriegszeit. Aber: Lindeberg und Co. wussten also zum Beispiel nicht, dass eine salzadäquate (bei uns: salzarme) Ernährung das von uns ausführlich besprochene Stickoxid (NO) ansteigen lässt, die als die gefäßschützende Substanz überhaupt gilt. Endotheliale Dysfunktion (und daraus folgend: Arteriosklerose -> Herzinfarkt/Schlaganfall) ist Todesursache Nummer 1 in "zivilisierten" Ländern.

Spannend finde ich die Frage nach dem tatsächlichen Salz-Bedarf. Wir männlichen Europäer gönnen uns gut und gerne mal 10 g NaCl (Salz)[note]http://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/GesundeErnaehrung/_Texte/DEGS_Salzstudie.html[/note], was ca. 4 g Natrium entspricht. Davon lebenswichtig scheint nur ein Achtel zu sein, also 500 mg. Wobei hier bereits körperliche Aktivitäten etc. mit eingerechnet wären. Das absolute Minimum liegt eher bei 120 mg, also entsprechend ca. 250 mg NaCl [note]http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK234935/[/note].

Wer die Paläo-Ernährung "leben" will, der sollte sich nicht nach dem richtigen Kohlenhydrat-Gehalt, sondern nach prinzipiellen Eckpfeilern fragen. Salz könnte ein solcher Eckpfeiler sein. Genau wie Bewegung, Sonne, DHA/EPA, Stress-Management und naturbelassene Nahrung - die ja wiederum "salzadäquat" ist. Ohne Extra-Salz.

Natürlich darf gefragt werden, ob das gleiche Szenario auch für Sportler gilt. Zum einen könnte man antworten: Müssen sich Jäger und Sammler nicht auch bewegen? Schwitzt man nicht in Afrika oder in Südamerika? Zum anderen könnte man antworten: Wer mehr verbraucht, darf auch mehr zuführen, da er Salz über die Haut ja quasi "entgiftet". Allerdings darf man sich dann fragen, ob der Schweiß nicht auch "salzarm" daher kommen kann (bei entsprechender Ernährung) und wie hoch der zusätzliche Bedarf eines Sportlers tatsächlich ist. Mit anderen Worten: Man braucht vielleicht trotzdem kein Salzstreuer zuhause.

PS: Weil es so amüsant ist, dass es mittlerweile so viele Hobby-Anthropologen gibt, die sich scheinbar bestens mit der "korrekten" Ernährungsform für Homo sapiens auskennen, möchte ich noch einmal auf die obige Grafik verweisen. Dort haben "echte" Wissenschaftler den tatsächlichen, durchschnittlichen Gehalt einer "korrekten" Ernährungsform für H. sapiens niedergeschrieben. Mich wundert es doch immer sehr, dass es Menschen gibt, die glauben, sie seien Individuen des einen Volkes, das unseren Erwartungswert am einen Ende des Spektrums so beeinflusst, genannt Inuit. In anderen Worten: Es gibt weit, weit mehr Jäger und Sammler, die Kohlenhydrate essen, als welche, die keine essen. Aber ... "Durchschnitt" - klingt zu normal.

Disclaimer

Vorsicht! Auch wenn wir in diesem Artikel grundsätzliche (physiologische) Mechanismen besprochen (Salz reguliert eNOS-Funktion) und auch ein recht "ganzheitliches" Bild generiert haben, müssen wir trotzdem immer an individuelle Schwankungen denken.

Heißt: Es gibt sehr sicher Menschen, die stärker respektive schwächer auf eine Salzzufuhr reagieren. Auch sollte klar sein, dass Menschen mit niedrigem Blutdruck vielleicht gerade von einer leicht höheren Salzzufuhr profitieren könnten. Auch scheint die Salzzufuhr Cortisol-Anstiege zu provozieren, was einigen Lesern wiederum helfen könnte.

Grundsätzlich aber sollte gerade der Durchschnittsbürger die oben genannten Tatsachen im Auge behalten, denn in nahezu allen Nahrungsmitteln (des Supermarktes) finden wir heute größere Mengen Salz.

Referenzen

Der Beitrag Warum Jäger und Sammler keine Arginin-Kapsel schlucken erschien zuerst auf edubily - Gesundheit und Leistungsfähigkeit.


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